Den Kopf leicht geneigt, den rechten Ellenbogen auf die Lehne des Sessels gestützt, scheint sie, halb verzückt, halb wehmütig, den Duft der Rose einzuatmen, welche sie zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand unterhalb ihres Kinnes hält. Mit ihrer linken Hand spielt sie mit einem Miniaturflugzeug, welches in ihrem Schoß liegt. Das kleine Flugzeug hat offensichtlich auch die Aufmerksamkeit des zahmen Eichhörnchens erregt, welches sich unter den Falten des langen Schals der Dichterin hervorwagt, um ihr Spielzeug neugierig zu betasten.
Die Malerin übersetzt und reinterpretiert einzelne Metaphern aus der Dichtung ihrer Namensvetterin. Andere Bilder, wie das des goldenen Käfiges ohne Türchen, zur Rechten der Dichterin stellen aufs Neue die Frage nach der Identität der selbstironischen Liebeslyrikerin. Bei der Betrachtung der Portraits kann die flüchtige Illusion entstehen, für einen Moment hinter das Glas blicken zu können. In diesem Augenblick scheint das Rätsel um die Frau, die vor fast 100 Jahren als Künstlerin den „Schritt in die Ewigkeit“ wagte greifbar nah zu sein, bis sich das Auge wieder in der trügerischen Reflexion der eigenen Gesichtszüge auf der spiegelnden Oberfläche des Portraits verliert.
Univ.-Prof. Dr. Brigitta Helbig-Mischewski, Literaturwissenschaftlerin
Prof. des Deutsch-Polnisches Forschungsinstitut des Collegium Polonicum in Słubice
February 14, 2015
Portrait einer Dichterin ist eine Serie von lyrischen Gemälden der Künstlerin Maria Kossak. Die Portraits sind hinter Glas gemalt und angelehnt an den Symbolismus der Wiener Secession. Dargestellt wird die aus dem Hause Kossak stammende Dichterin Maria Pawlikowska-Jasnorzewska. Sie erscheint als distinguierte „femme fragile“ in einem mächtigen Großvatersessel sitzend. Ein aus feinem, durchscheinenden Stoff gefertigtes Kleid verhüllt fast gänzlich ihre Gestalt, von der lediglich ihre zarten, weißen Händen zu sehen sind.